Etappe 13 – Von Eisfeld nach Tettau

Ein weiterer Tag bei schönstem Sonnenschein beginnt. Nachdem wir gestern hinauf zur Autobahn geradelt sind, geht es heute nach einigen kleinen Hügeln wieder ins Tal. Wir queren erneut ein riesengroßes Viadukt. Diesmal ist es die neue ICE- Strecke von München nach Halle. Wie uns der Hotelier am gestrigen Abend erzählte auch durch eine Tunnelstrecke, in welcher man eine Tropfsteinhöhle fand. Leider wurde diese versiegelt, sodass sie vermutlich keiner außer den damaligen Bauarbeitern und Geologen zu Gesicht bekommen wird.

Unweit der Talbrücke liegt der Froschgrundsee. Wo oben die Züge laut vorbei donnern, ist es im Tal ruhig, grün und man hört Vögel zwitschern. Der See ist Teil des Itztals, welches wir fortan bis nach Unterwohlsbach radeln. Hier befindet sich das kleine Schloss Rossenau mit seinem Schlosspark, dem wir einen kurzen Besuch abstatten.

Wir radeln weiter nach Neustadt bei Coburg, wo wir das Museum der deutschen Spielzeugindustrie besuchten. Hier zeigt man nicht nur traditionelles Spielzeug der Region Neustadt- Sonnenberg, sondern von der gesamten Welt mit viel Liebe zum Detail. Jedes Land hat seine eigenen Figuren, welche in eigenen Trachten gesteckt werden. Es zeigt ebenfalls die Herstellung des Spielzeuges. Vor allen beim Anblick der Rohmodelle der Puppen kommt einem echt das Gruseln. Denn ohne Augen und Haare sehen diese doch eher wie Zombies aus. Was sich zunächst wie ein kurzer Abstecher anhört, den man in einer halben Stunde absolviert, entpuppte sich dann doch als interessantes Museum mit mehrstündigem Aufenthalt. Diesem musste der Ausblick vom Prinzregententurm weichen.

Gerade als ich am Museum das Fahrrad wieder abschließen wollte, bemerkte ich plötzlich noch etwas anderes Klapperndes in meinem Rucksack. Es war der Hotelschlüssel von unserer vorherigen Unterkunft. Inzwischen waren wir allerdings schon gut 40 km davon entfernt. Also was machen. Erst einmal kurz anrufen, damit der Hotelier nicht suchen muss. Hinzu kommt, dass Andi heute wieder zurück nach Hannover fahren muss, um am nächsten Tag zu arbeiten. Eigentlich ein Vorteil, denn seine Zugroute führte über den Bahnhof von Eisfeld. Wie wäre es denn dort mit Schlüsselübergabe? Das klappte leider nicht beim Hotelier. Er könne aber in Eisfeld aussteigen und den Schlüssel dort im Bahnhofsgasthaus abgeben. Das schied dann wieder für uns aus. Denn der Zug würde sicherlich nicht warten bis der Schlüssel übergeben würde und Andi wieder im Waggon ist. Also blieb uns nur, eine Post zu suchen und den Schlüssel per Einschreiben abzuschicken.

Und so fuhren wir noch kurz durch die Innenstadt an einer Post vorbei und machten uns auf der Suche nach einem letzten gemeinsamen Imbiss bevor Andis und mein Weg sich wieder trennen würden. Dabei nahm Andi nicht nur sein Rad sondern auch die Sonne. Ein zweites Mal in den 14 Tagen wurde es etwas ungemütlicher aber nicht weniger interessant auf der Radtour. Kurz vor dem ehemaligen Grenzübergang Sonneberg bog der Weg rechts ab und passierte den Gedenkstein von Liebau, ein Dorf, welches infolge der Aktion „Ungeziefer“ der deutschen Teilung zum Opfer viel und damit von der Landkarte verschwand. 

Der Weg führte nun durch Orte wie „Bächlein“. Allerdings fühlte es sich von oben eher an wie ein Fluss. Jedoch hörte es bald auf zu regnen, die Sonne kam wieder heraus und es wurde zu warm in den Regenklamotten.

In Heinersdorf passierte ich nun wieder allein die Grenze nach Thüringen mit einem kleinen Grenzmuseum, welches sich in einer alten Grenzbaracke befand. Es zeigte ein Modell des damaligen Todesstreifens sowie einige Reliquien aus DDR- Zeiten. Fortan geht es sukzessive bergauf entlang der Tettau, welche hier früher den Grenzfluss zwischen beiden deutschen Staaten darstellte. Der gleichnamige Ort, welcher sich wieder auf der fränkischen Seite befindet, sollte das heutige Etappenziel sein, auch wenn die Abstecher in die historischen Altstädte von Coburg und Kronach zeitmäßig doch nicht mehr drin waren.

Moment mal, Tettau liegt doch in der Nähe von meinen Eltern. Es muss wohl noch eines geben. Wenn man der Umgebung und den Häusern glaubt, scheint Tettau mal ein bekannter bayrischer Wintersportort gewesen zu sein. Wir befinden uns schließlich inzwischen im Frankenwald oder besser gesagt, im Thüringisch- Fränkischen Schiefergebirge. Dank Klimaerwärmung fällt jedoch dort kaum noch Schnee und gegen die großen Skigebiete der Alpen mit ihren Schneekanonen und Apréski- Parties scheint ein so kleiner Ort an der bayrischen Grenze wenig Chancen zu haben. Dementsprechend spartanisch viel die heutige Unterkunft auch aus. Aber der Mann in der Jogginghose, der offenbar der Hotelier sein musste, gab sich Mühe, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Und obwohl ich keinen Meter mehr radeln oder gehen wollte, musste ich nochmal ein paar Meter bergab gehen, um zumindest im einzigen Supermarkt des Ortes kurz vor 20 Uhr noch etwas zu Essen und Trinken zu bekommen und wenigstens etwas die Kalorien wieder aufzufüllen. 

Am Abend ließ ich beim Speisen vor dem Fernseher nochmal die letzten Tage mit Andi Revue passieren, der wieder in Hannover erfolgreich angekommen war.

Ich weiß nicht mehr, auf welcher Etappe es war. Jedenfalls waren wir gerade im Wald leicht bergauf unterwegs und der EV13 bog nach links weiter bergauf ab. Ich brüllte Andi noch zu, dass wir abbiegen müssten. Leider hörte er es nicht und fuhr weiter geradeaus, während ich nach oben strampelte und die Mücken durch meinen Schweiß angelockt wurden. Auf halber Höhe angekommen, merkte ich Andi wird nicht mehr kommen. Was Segen und Fluch zugleich auf der Tour ist. Die ehemalige Grenzregion glänzt nicht nur durch ihre Natürlichkeit, Artenvielfalt, Ruhe und netten kleinen Orte beiderseits der Grenze, sondern auch durch jede Menge Funklöcher. Da hatte ich mehr Probleme als Andi mit seinem Telekom- Netz, welches scheinbar besser ausgebaut war als das von Vodafone. So suchte ich verzweifelt einen Empfangsbalken auf dem Telefon, um ihn kurz anrufen zu können. OK, ich musste ihm nochmal den genauen Weg erklären und fast den ganzen Berg wieder hinab radeln. Am Ende fanden wir uns doch wieder zusammen und konnten die Etappe gemeinsam beenden. Und auch wenn Fitnessniveau, Radtyp und Gepäckgewicht nicht hätten unterschiedlicher sein können, war es erstaunlich wie er die ganzen 700 km mit mir in der Hitze durchhalten konnte.

Etappe auf Alltrails

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