Etappe 14 – Von Tettau nach Regnitzlosau

Die letzte und damit auch schwerste Etappe mit 105 km und 2500 hm. Mir graute es schon vor diesem Tag. Viele werden vermutlich die Tour in entgegengesetzte Richtung durchgeführt haben. Aber zum Einen orientierte ich mich am Tourenführer. Zum Anderen war es aber auch besser erst einmal etwas Kondition durch Einrollen aufzubauen statt gleich mit Hügeln zu starten. Letztendlich sollten mir Natur, Ausblicke und Sehenswürdigkeiten helfen, diese Tour zu überstehen.

Wieder einmal ging die Tour mit eher bescheidenem Wetter los. Doch das Wetter sollte nicht das größte Problem am heutigen Tag darstellen. Orientiert am Tourenführer stand ich plötzlich irgendwo im Nirgenwo, immer wieder Schlamm und spätestens in der Nähe einer Rinderherde mit nicht nur weiblichen Kühen, wollte ich dann doch den Weg nicht mehr riskieren. Offensichtlich kannte meine Auflage noch nicht die geänderten Bedingungen. So bin ich durch den Schlamm wieder zurück und nahm die sicherere Variante über die Straße nach oben und bog dann wieder auf den Waldweg ein. Dieser kreuzte die letzten Meter des Rennsteiges, dessen Beginn ich vor etwa einer Woche passierte und welcher Dank Wiedervereinigung hier auch im fränkischen Teil wieder seine Fortsetzung findet. Wenige Kilometer später erreiche ich über die Lochplatten des Kolonnenweges vollkommen durchnässt den Aussichtsturm „Thüringer Warte“.

Der Aussichtsturm bietet nicht nur einen wunderschönen Ausblicks in die Umgebung Thüringens und Bayerns. In dessen Inneren wird auch die dt. -dt. Geschichte der Umgebung von der Demontage bis zum Mauerfall erklärt.

Wieder etwas abgetrocknet ging es den Berg hinab in das Loquitztal, in welchem sich noch eine der wenigen Zugverbindungen zwischen Ost- und Westdeutschland befand und vor dem Bau der neuen ICE- Strecke die einzige Nord- Süd- Schnellverbindung zwischen Berlin und München war. Doch weder die Zugverbindung noch die Schönheit der Loquitz sollten der Grund für einen kleinen Zwischenstopp auf meiner Reise sein.

Eine der ältesten Schokoladenmanufakturen Deutschlands und Aushängeschild im KaDeWe befindet sich in der Fischbachsmühle, die Confiserie „Burg Lauenstein“. Und obwohl ich eher aussah wie ein nasses Sumpfmonster, begab ich mich hinein, um wieder etwas abzutrocknen. Neben der gläsernen Manufaktur, welche ich nicht besuchte, bietet die Confiserie einen großen Verkaufsladen mit allerlei leckeren Süßigkeiten. Natürlich ist auch ein Schokobrunnen dabei. Und so lecker alles auch aussieht, mit begrenzten Packvorräten war es nicht möglich, ein Souvenir mitzunehmen. Um aber einen kleinen Eindruck von den Köstlichkeiten zu bekommen, bestellte ich einige der Leckereien neben dem wärmenden Latte Macchiato und verwandelte so das Mittagessen in ein frühzeitiges Kaffeetrinken.

Auch wenn das Wetter sich nur langsam bessert, ich muss weiterfahren, um das heutige Etappenziel noch zu erreichen. Bei Lehesten treffe ich wieder auf den fränkischen Teil des Rennsteiges, welcher auf den kommenden Kilometern mein Begleiter sein sollte. Stetig geht es wieder nach oben zum Wetzstein mit dem Altvaterturm.

Der Aussichtsturm selbst kostet Eintritt, auch wenn ich vermutlich der einzige Besucher an diesem verregneten Tag sein werde. Aber er ist auch sein Geld wert. Nicht nur wegen seines wunderschönen Ausblicks, sondern auch derAusstellung, welche eindrucksvoll die Geschichte der Vertriebenen aus Polen und Tschechien in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf verschiedenen Etagen zeigt. Vor allem mit Blick auf den eigenen familiären Hintergrund hat sich diese Reise gelohnt.

Mit der Hoffnung, dass der weitere Streckenverlauf mich in die Richtung der Wolkenlücken, die ich von der Aussichtsplattform sah, führen wird, geht es weiter auf dem Schönwappenweg, welcher verschiedene historische Grenzsteine zeigt, die diese Region prägten.

Von da an geht es sukzessive bergab nach Blankenstein, wo der Rennsteig sein Ziel erreicht und ich zum ersten Mal die Saale als noch relativ schmalen Fluss erblicke, der kurz vor Magdeburg zu einem großen Strom heranwachsen soll.

Allerdings geht es noch einmal kurz bergauf zur A9. Während die ehemalige Grenzübergangsstation Hirschberg wie so viele von Ihnen heute zu einem Rastplatz umgebaut wurden, blieb die westdeutsche Station in Rudolphstein nahezu erhalten. Denn sie bietet mit dem Brückenrestaurant über die Autobahn einer der wohl markantesten Rastplätze und Anschlussstellenvon Deutschlands Autobahnen, welche die Zeit des kalten Krieges überdauert hat. Auch mit dem Fahrrad hat man die Möglichkeit, über eine kleine Seitenstraße, auf den Rastplatz zu fahren. Irgendwie komisch ist es trotzdem, mit dem Mountainbike über den riesengroßen Autobahn- Rastplatz zu fahren. Für eine größere Zwischenmahlzeit blieb allerdings bei der heutigen Distanz keine Zeit, denn ich lag bereits hinter meinem gesetzten Zeitplan.

Nach diesem kurzen Abstecher geht es über die Autobahnbrücke und hinab ins Saaletal nach Hirschberg vorbei am Museum für Gerberei und Stadtgeschichte. Auch der Abstecher in den Landschaftspark mit dem Saalebänk muss bis zum nächsten Mal warten.

Und so ging es ein letztes Mal heraus aus dem Saaletal in Richtung Mödlareuth, dem Ort, welcher für 40 Jahre in einen ost- und westdeutschen Teil geteilt war resultierend aus den historischen Landesgrenzen, bei denen es ebenfalls nicht zu einem Gebietsaustausch gekommen war. Da es bereits 18:30 Uhr war, blieb mir hier ebenfalls nur ein Blick über den geschlossenen Zaun des geschichtsträchtigen Ortes. Auf den ersten Blick aber eine beeindruckende Anlage, die auf jeden Fall einen Platz auf meiner ToDo- Liste erhält. Von den Eltern ist es ja nicht ganz so weit, um dort einmal mit dem Auto hinzufahren.

Inzwischen rief ich auch bei der Unterkunft an, dass es etwas später werden könnte als geplant. Denn man wollte auf mich bis 20 Uhr warten. Der darin befindliche Gasthof hatte an dem Tag geschlossen und die Gastgeber hatten selbst eine Familienfeier.

Ich verlasse Mödlareuth und komme aber an einer Sehenswürdigkeit vorbei, welche keine Öffnungszeiten kennt, direkt an der Strecke liegt und nur wenig Zeit des Tages benötigt. Die Rede ist vom Dreistaatenstein. Man sollte sich allerdings nicht zu früh freuen, das Ziel der 14tägigen Reise erreicht zu haben. Hierbei handelt es sich um einen in die Erde eingelassenen Stein, in welchem sich die historischen Grenzen des Königreiches Bayern, dem Königreich Sachsen und dem Fürstentum Reuß treffen. Heute sind dies die Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen.

Es geht weiter nunmehr im Vogtland beiderseits der Landesgrenze und nach wenigen Kilometern ist Gutenfürst erreicht, ehemaliger Grenzbahnhof auf ostdeutscher Seite an der Eisenbahnlinie zwischen Plauen und Hof. 

Wenig später ist auch die Autobahn A72 von Leipzig nach Hof überquert. Jene Strecke war aufgrund der gesprengten Talbrücke seit der Nachkriegszeit nicht mehr befahrbar, auch mit der Grenzöffnung 1989 noch nicht. In Pirk mussten wir immer mit unserem Trabant von der damals zweispurigen Autobahn und auf der B173, welche ich kurz darauf quere, fahren. Oder besser gesagt, wir schlichen, denn bis nach Hof war es mehr eine Stop & Go- Geschichte, da nicht nur meine Familie diese Idee hatte. Ich erinnere mich noch genau, wie verängstigt wir das erste Mal waren, als wir an die Grenze kamen. Zur Sicherheit hatten wir unsere Reisepässe mitgenommen. Trotz voller Festbeleuchtung und einem kleinen Grenzhäuschen winkte man uns ohne Probleme durch und wir kamen eines der kleinsten Dörfer Deutschlands, Ullitz. Wir fuhren dann weiter nach Rehau, Selb oder Wunsiedel zum Einkaufen. Heutzutage kaum noch zu glauben. Dieser „Grenztourismus“ hielt bis etwa zur Währungsunion durch. Dann war die „Westware“ zum größten Teil auch in den ostdeutschen Läden anzutreffen.

So langsam geht es auf die letzten Kilometer über welliges Hügelland mit landwirtschaftlicher Nutzung. Von der Straße ging ein letzter schmaler, steiler Pfad hinab zur Regnitz. Das Dreiländereck DDR, BRD und ČSSR sind erreicht. Heute sind es die Landesgrenzen von Sachsen und Bayern sowie der Staatsgrenze zur Tschechischen Republik. Noch vor 30 Jahren wäre es nicht möglich gewesen, an diesen geographischen Punkt zu kommen. Heutzutage kann man sich in allen Ländereien dank Wiedervereinigung und Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs wieder frei bewegen. Egal ob entlang der deutschen oder tschechischen Grenzsteine.

Damit verwandeln sich allerdings auch die Wegweiser des weitern Eurovelo 13 in tschechische Sprache und führen weiter entlang des ehemaligen „Eisernen Vorgangs“ bis ans Schwarze Meer. Für die tschechischen Kinder gibt es hier noch ein kleines Naturkunde- Quiz. Und wer ganz mutig ist oder in der DDR aufgewachsen ist, der kann die dort stehenden hölzernen Toilettenhäuschen gerne mal besuchen.

Ein letzter Anruf gegen 20:45 Uhr bei den Gastgebern bevor es zu ebendiesen geht. Man hat sich verabredet, kurz vorher zu telefonieren, damit die Abwesenheit von der Familienfeier nicht allzu lange dauert. Dann ging es mit den letzten Sonnenstrahlen nach Regnitzlosau, wo glücklicherweise eine ordentliche Mahlzeit auf einen ziemlich ausgelaugten Radfahrer wartet. Da dauerte es auch nicht allzu lange bis es ins Bett geht, um die vielen Eindrücke des Tages und der gesamten Tour entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze zu verarbeiten.

Etappe auf Alltrails

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