Wanderung zum Mount Washington

Es ist meine dritte USA- Reise insgesamt, welche ich 2018 gemacht hatte. Diesmal wollte ich die Ostküste kennenlernen. Ein Arbeitskollege, dessen ursprüngliche Heimat sich in unmittelbarer Nähe befindet, und mein Berater im Reisebüro empfahlen mir diese Ecke der USA.

Ich begann meine Reise im historischen Boston, fuhr weiter in südwestlicher Richtung entlang der Küste über Plymouth, Cape Cod, Newport, Yale, den Hunter Mountains Richtung White Mountains. Sie sind Teil der Appalachen und eigentlich nicht viel höher als ein deutsches Mittelgebirge. Mount Washington ist der höchste Gipfel in den White Mountains und vor allen Dingen durch sein teilweise sehr rauhes Klima bekannt. Bis zum 10.04.1996 wurde hier die höchste je gemessene Windgeschwindigkeit mit 372 km/h (231 mph) registriert.

Wir schreiben den 07.09.2018. Eigentlich wollte ich relativ zeitig aufstehen, doch das Bett der Carsons Lodge in Twin Mountains, NH hat mich länger gefesselt als ich wollte. Das liegt vielleicht auch an der langen Anreise von South Deerfield, MA am Vortag über den Mowhawk Trail und den Molly Stark Scenic Byway. Frisch gestärkt ging es in Wandersachen raus in die kühle Morgenluft Richtung Talstation der Cog, der steilsten Zahnradbahn der Welt, welche zum Mount Washington führt. Während man direkt an der Talstation relativ viel für das Park Ticket bezahlt, ist es am Ammonoosuc Ravine Trailhead noch vergleichsweise günstig.

Während der Urlaubsvorbereitung zu Hause plante ich eine Strecke zum Mount Washington hinauf auf dem Ammonoosuc Ravine Trail. Und je nach Verfügbarkeit von Sitzplätzen den Abstieg per Cog oder auf dem Jewell Trail zu Fuß. So ging es 10:40 Uhr vom Parkplatz aus entlang eines schmalen, bewaldeten, flachen Trails mit ein paar Wurzeln und Steinen. Zu diesem Zeitpunkt kamen mir bereits einige ältere Herrschaften mit Walking Stöcken entgegen. Ich dachte mir nur, wenn Du im Alter noch so fit unterwegs bist, hast Du alles richtig gemacht.

Schon bald erreichte ich den Ammonoosuc River, welcher in seiner Verlängerung auch Nahe meiner Unterkunft vorbei fließt und bereits zu einem relativ breiten Strom herangewachsen ist. An dieser Stelle ist er noch relativ schmal, immer wieder von großen Felsen sowie umgestürzten Bäumen durchsetzt und tost manchmal lauter manchmal leiser hinab ins Tal. Immer wieder muss man auch kleine Umwege gehen, weil der Fluss den Weg etwas weggespült hat. Ab und zu ergießt sich auch ein kleiner Wasserfall in ein kleines Basin. Doch für ein Bad ist es heute etwas zu kühl und windig. Eine Gruppe von drei jungen Menschen aus Toledo, OH macht noch einige Aufnahmen am Rand.

Plötzlich biegt der Trail vom Fluss ab und es wird sehr felsig,verblockt, steil, teilweise etwas schlüpfrig auf wasserbenetzten Felsen und damit zu einer Kletterpartie wie ein paar Tage zuvor in den Green Mountains auf den Slide Mountain.

Man muss wissen, dass Wandern in den USA einen nicht so hohen Stellenwert einnimmt wie in Deutschland, wo mehrere lokale Wandervereine sich noch um die Wegpflege und -gestaltung kümmern. Häufig sind kleine Marker an den Bäumen die einzige Orientierungshilfe, den richtigen Weg noch zu finden. Viele Wege sind sehr naturbelassen und erfordern teilweise schon Kletterfähigkeiten. Dagegen ist so mancher naturbelassener Trail in Deutschland noch eine asphaltierte Promenade.

Immer wieder treffe ich die Gruppe mit den drei jungen Leuten und fortan beschlossen wir gemeinsam den Aufstieg zu meistern. Während Zak die Felsen nahezu nach oben lief, wanderten sein Bruder Andy und dessen Freundin Emily eher im gemütlicheren Tempo nach oben. Ich beschloss, mich an Zaks Fersen zu heften, über die Natur und die Menschen zu philosophieren und ihn von Zeit zu Zeit einzubremsen, damit Emily und Andy noch eine Chance hatten, wieder zu uns aufzuschließen und eine kleine Verschnaufpause einzulegen und die zunehmend atemberaubendere Aussicht zu genießen.

Schneller als gedacht, waren wir dann auch am Crawford Path, welcher der ältestes Trail der USA ist und Teil des Appalachian Trails von Florida nach Maine bildet, und dem Lakes of the Clouds und dessen gleichnamiger Wanderhütte angelangt. In den Seen schwammen einige Kaulquappen. So ein Wort ist für einen Amerikaner eine echte Herausforderung, die Zunge so zu verbiegen.

Wir beschlossen zunächst einen Blick in die Wanderhütte zu werfen. Hier bekomme ich einen ersten Einblick über das spartanische Reisen als Wanderer. Dreietagige Betten mit Matratze und einen dünnen Decke, um die Ecke Toiletten und Bad. Im vorderen Bereich gab es eine kleine Essecke und eine kleine Verkaufsstelle, in der man Souvenirs und ein wenig zu Essen und Trinken für wenig Geld kaufen konnte.

Nach dem kurzen Stopp machten wir einen Abstecher nach rechts auf den nahegelegenen Mount Monroe, um dort die Aussicht zu genießen. Dabei spürte man dann auch, dass es doch etwas kühler und windiger geworden ist und eine Fleecejacke ganz angebracht ist, wenn man sich längere Zeit nicht bewegt.

Anschließend ging es zurück zum See und dann die letzten Meter hinauf zum Mount Washington, den wir jetzt in seiner ganzen Pracht erblicken konnten. Doch zum Gipfel war es ein sehr steiniger, langer Weg. Lediglich von den Wanderern aufgestellte Steinmännchen (Stoneman) zeigten uns den optimalen Weg hinauf zum Gipfel über die Steinwüste. Und ein zweites Problem kam auf, denn Andy hatte sich wohl den Fuß etwas zu sehr überdehnt und konnte nur noch mit Schmerzen wandern.

Irgendwie haben wir es dennoch auf den Gipfel geschafft und das obligatorische Foto am Gipfelschild gemacht. Danach besuchten wir das Tip Top Haus, ein historisches Steinhaus, welches früher als Hotel diente. Daneben steht die Wetterstation und das restliche Plateau sowie eine Aussichtsplattform bieten ein wunderschönes 360°- Panorama über die White Mountains und Appalachen bis fast zur Ostküste. Alles in allem hatte ich aber mal wieder Glück und die Aussicht wurde nur wenig getrübt. Wie mir mein Arbeitskollege sagte, ist das ein ähnliches Glücksspiel wie auf dem Brocken.

Nun galt es den Abstieg zu planen. Wir empfahlen Andy begleitet von seiner Freundin Emily die Cog ins Tal zu nehmen und dort auf Zak und mich zu warten. Immerhin kannte sich Zak hier aus, denn es war bereits sein dritter Aufstieg auf den Mount Washington gewesen. Doch ein echter Amerikaner kennt keinen Schmerz. Und so sind wir alle auf den Abstieg auf dem Jewell Trail gegangen.

Immer wieder kreuzen wir die Zahnradstrecke der Cog bei unserem Weg ins Tal. Auch Andy scheint es bergab deutlich besser zu gehen. Der Trail verläuft zunächst auf einem Bergkamm entlang und Zak nutzt die Gelegenheit, sich auf einem Felsvorsprung für ein Foto nah am Abgrund zu stellen. Dafür hatte ich dann doch etwas zu viel Respekt vor der Höhe.

Inzwischen wächst auch die Vegetation wieder über unsere Köpfe. Die Sonne senkt sich langsam über den Hügeln hinab, färbt den Wald langsam orangerot während die Bäume einen schwarzen Schatten werfen. Je weiter wir in das Tal kommen, desto schneller scheint es dunkel zu werden. Es ist Zeit, die Stirnlampe herauszuholen und die restliche Strecke beleuchtet auf der verblockten Strecke zu wandern. Allen voran Zak, der wie eine Gazelle durch den Wald springt, wo ich selbst zu tun habe, hinterher zu kommen und mit zunehmender Unkonzentriertheit sowie verringerten Lichtverhältnissen nicht an einem Stein oder einer Wurzel noch hängen zu bleiben.

Schließlich spuckt uns der Wald doch wieder aus und wir kommen hinter der Talstation der Cog heraus, da wir irgendwie den Abzweig auf den direkten Weg zum Parkplatz verpasst haben. Aber um die Zeit ist sowieso keiner mehr auf der Straße unterwegs. Und so laufen wir dort die letzten Meter entlang zum Parkplatz. Dort angekommen genießen wir den wunderbaren Sternenhimmel in den White Mountains. Weder das Leuchten irgendwelcher Straßenlaternen einer Großstadt noch Nebel trüben den Blick in die kristallklare Nacht.

Es ist kurz nach 19 Uhr, alle sind hungrig und die bange Frage, wo gibt es noch etwas zu essen. Die Restaurants, welche ich in der näheren Umgebung kenne, schließen alle bereits 20 Uhr und das Einzige, welches noch eine Stunde länger geöffnet hat, ist zu weit entfernt. So laden mich Emily, Andy und Zak mit auf ihren Campingplatz ein und gemeinsam etwas am wärmenden Lagerfeuer zu essen und zu trinken. Voller Eindrücke geht es anschließend die letzten Kilometer im Mietwagen zum Hotel zurück.

Fazit: Die Wanderung auf den Mount Washington ist ein echtes Abenteuer, welches man einmal gemacht haben sollte. Entsprechendes Wander- Outfit sollte man mitbringen und für alle Wetter gerüstet sein. Ein Abstieg über den Ammonoosuc Trail ist aufgrund der extremen Steilheit weniger zu empfehlen als über den längeren Jewell Trail. Die einfachere Variante ist mit der Cog nach oben und/ oder unten zu fahren. Man sollte sich aber rechtzeitig Tickets für dieses Fahrerlebnis besorgen, da nur begrenzte Sitzplätze verfügbar sind. Außerdem kann ein Ticket für den Abstieg nur in der Bergstation erstanden werden. Unabhängig davon existiert auch eine Mautstraße auf den Berg, welche per Auto oder Rad befahren werden kann.

Auch als einsamer Wanderer trifft man bei besserem Wetter immer wieder auf andere Wanderer, denen man sich anschließen kann. Das Wandern in der Gruppe ist immer empfehlenswerter als alleine wie man an Andys Verletzung sehen konnte, da man sich nicht immer auf Mobilfunk und GPS verlassen kann. Es zeigt aber auch, dass es auch eine gute Möglichkeit ist, mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen. Denn der Kontakt zu den Drei ist dank Internet erhalten geblieben und 2019 konnte ich mit Zak erneut die Appalachen unsicher machen.

Aufstieg zum Mt. Washington via Amonoosuc Ravine Trail auf Alltrails

Abstieg vom Mt. Washington via Jewell Trail bei Alltrails